Das Konstrukt der Empathie ist seit vielen Jahren Gegenstand der sozialpsychologischen Forschung. Dort gilt der Grundsatz, dass Empathie eine erstrebenswerte Eigenschaft darstellt, die mit zahlreichen Vorteilen verbunden ist. Empathie ist definiert als die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken und Gefühle einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen.

Auch im Bereich der Organisationsforschung gewinnt das Thema der Empathie zunehmend an Wichtigkeit. Forscher konnten auch hier bereits einige positive Auswirkungen von Empathie auf das Berufsleben nachweisen. So brachte Choi im Jahr 2006 die Eigenschaft der Empathie eng in Verbindung mit dem Führungsstil des charismatischen Anführers, der seine Gefolgschaft zusammenschweißt und antreibt. Cohen konnte 2010 zeigen, dass empathische Verhandlungsführer weniger auf unethische Mittel während der Verhandlung zurückgriffen, die ihren Gegenübern geschadet hätten. Ebenso fanden Wang und Murnighan 2011 heraus, dass Empathie vor rein berechnenden und Profit-orientierten Denkweisen schützt. Der Ratschlag, den es zu befolgen gilt, scheint somit schnell gefunden: Seien Sie empathisch und mitfühlend, wenn Sie beruflich weiterkommen wollen.

Dennoch birgt auch die Empathie Schattenseiten, die von Forschern ebenfalls untersucht und identifiziert werden. Tania Singer fand bei einer Untersuchung im Jahr 2014 beispielsweise heraus, dass empathische Beobachter ebenfalls einen erhöhten Cortisolspiegel hatten, nur wenn sie anderen gestressten Menschen zusahen. Jonathon Halbesleben von der Universität in Alabama zeigte 2009, dass besonders empathische Mitarbeiter größere Probleme hatten, gute Verhältnisse mit ihren Verwandten und Freunden aufrecht zu erhalten. Empathie scheint also weder durchweg positiv zu sein, noch scheint der Mensch einen unendlichen Vorrat an Empathie zu besitzen. Auch die Qualität unserer Entscheidungen kann unter gewissen Umständen leiden. Im Weichensteller-Test rollt ein fiktiver Zug unaufhaltsam auf fünf Gleisarbeiter zu. Die Testteilnehmer haben die Wahl, die Weiche auf ein anderes Gleis umzustellen, auf dem nur ein Mensch arbeitet. 90 Prozent der Teilnehmer entscheiden sich für diese Option. Bekommt nun allerdings der einzelne Arbeiter einen Namen, eine Familie und eine Geschichte, wendet sich das Blatt und die Mehrheit würde lieber die fünf Arbeiter opfern.

Diese Beispiele zeigen, wie Empathie dem Menschen schaden kann oder gezielt unsere rationalen Entscheidungen manipulieren kann. Wie so oft scheint die Lösung des Problems eine Frage der Dosierung zu sein. Das richtige Maß an Empathie bringt zahlreiche Vorteile mit sich und schützt uns vor den negativen Folgen. Dieses richtige Maß zu finden, scheint die entscheidende Aufgabe zu sein, für die es ein Gespür zu entwickeln bedarf.

Idee und weitere interessante Befunde zur Empathie im Artikel der Wirtschaftswoche:

http://www.wiwo.de/erfolg/trends/empathie-die-zehn-nachteile-des-mitgefuehls/12858976.html